Das drupa-Jahr 2020:
Es wird stürmisch
Klaus-Peter Nicolay


 
05.03.2020
 ► Seit Jahresbeginn erreichen uns Nachrichten, die den Schluss zulassen, dass 2019 für die Druckindustrie alles andere als einerfolgreiches Jahr war. Maschinenhersteller korrigieren ihre Umsatz- und Ergebnisprognose nach unten und auch die Zahlen der Verbände vom Maschinenbau über die Farben- und Papierindustrie bis zum Bundesverband Druck und Medien verbreiten nur wenig Optimismus. Und dass der strukturelle Wandel bei den Druckereibetrieben noch längst nicht abgeschlossen ist, zeigt sich in Insolvenzen, Betriebsschließungen und Übernahmen – selbst bei Unternehmen, von denen man es nicht erwartet hätte.

Opfer des Corona-Virus

Digitalisierung, Transformation und Umweltschutz sind die bestimmenden Themen unserer Zeit. Flankiert werden diese dauerhaften Trends durch eine sich abkühlende Weltwirtschaft, Handelskriege, unsichere politische Verhältnisse, Brexit und nun auch noch vom Corona-Virus, der die chinesische Wirtschaft nahezu erlahmen lässt. Europa ist von den Auswirkungen des Produktionsrückgangs der der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt aber nicht isoliert.
Reisebeschränkungen und andere präventive Maßnahmen zeigen schon ihre Auswirkungen: So wurde der Mobile World Congress 2020, die Messe für mobile Technik in Barcelona, aus Sorge vor dem Virus abgesagt. Das gleiche gilt für die Buchmesse in Leipzig und aktuell wurden die Fespa Global Print Expo 2020, die European Sign Expo 2020 und die Sportswear Pro 2020, die ursprünglich vom 24. bis 27. März 2020 in Madrid über die Bühne gehen sollten, erst einmal verschoben. Termin unbekannt.

Stagnation im Druckmaschinenbau

Das lässt für das Jahr 2020 nicht viel Gutes erwarten. Und es kündigte sich bereits im Dezember 2019 an. Wenige Tage vor dem Jahreswechsel hatte Koenig & Bauer seine Umsatz- und Ergebnisprognose für 2019 reduziert und geht nicht mehr von Wachstum, sondern von Stagnation aus. Da muss das letzte Quartal die Erwartungen offenbar völlig verhagelt haben.
Mitte Januar meldete auch Heidelberg eine rückläufige Entwicklung bei Umsatz und Ergebnis. Obwohl das vierte Quartal des Geschäftsjahres erst im März endet, geht der Vorstand nicht mehr davon aus, die Jahresprognose erfüllen zu können. Im Gegenteil: Nach der neuerlichen Gewinnwarnung wurde die Kreditwürdigkeit des Druckmaschinenherstellers im Rating der US-amerikanischen Finanzagentur Moodys weiter zurückgestuft. Und am Stammsitz in Wiesloch wurde nach Informationen der Rhein-Neckar-Zeitung bis April Kurzarbeit angesetzt. Zudem sollen das Produktportfolio bereinigt, die Organisation und Prozesse effizienter und das internationale Produktionsnetzwerk neu gestaltet werden. Möglicherweise wird Heidelberg sehr viel mehr in seinem Werk in China fertigen (wenn da nicht der Virus wäre).
In jedem Fall bahnen sich wohl noch massive Veränderungen an. Eine erste ist die Verkleinerung des Vorstands, der künftig nur noch aus CEO Rainer Hundsdörfer und dem Finanzvorstand Marcus A. Wassenberg besteht. Nach Technik-Vorstand Stefan Plenz verlässt nun auch Prof. Dr. Hermann, bisher Vorstand Lifecycle Solutions und Chief Digital Officer, das Unternehmen zum Ende des Ge­schäftsjahres 2019/20 (Ende März). Dafür soll die Ebene unterhalb des Vorstands mit einem neu eingerichteten Executive Committee gestärkt werden.

Notwendigkeit struktureller Anpassungen

Und eine andere Nachricht sorgt zumindest für Erstaunen. Im Sommer 2019 hatte das Kartellamt Heidelberg den Kauf von MBO noch untersagt. Jetzt hat sich Komori den Falzmaschinenhersteller geschnappt. Klar, denn ausländische Investoren müssen das Kartellamt nicht fragen. MBO soll zwar eigenständig bleiben, ist aber nun in japanischer Hand. Wie schon fast der komplette Markt der Digitaldruckmaschinenhersteller. Ja, es gibt noch Kodak oder Landa. Aber was machen die schon gegen die Übermacht von Canon, Epson, Konica Minolta und die vielen anderen wie Kyocera oder OKI aus?
Doch wer nun glaubt, den Digitaldruckmaschinenherstellern ginge es blendend und es treffe die Offsetmaschinenhersteller wieder einmal besonders hart, irrt gewaltig. Keiner der Hersteller von Digitaldruckmaschinen tut sich mit besonders großen Installationszahlen hervor. Auch HP zieht zurzeit einen erheblichen Personalabbau durch. Und dass Xerox den größeren Konkurrenten HP offenbar mit aller Gewalt (und immer mehr Geld) übernehmen will, rundet das Bild ab. Inzwischen hat HP nach einem weiteren schlechten Quartal Gesprächsbereitschaft signalisiert, mit Xerox über eine Fusion reden zu wollen, lehnt eine Übernahme aber weiter ab. 
Die Notwendigkeit struktureller Anpassungen ist offenbar jedoch überall unvermeidlich. So geht eine Studie davon aus, dass der Office-Markt und damit der Absatz an Equipment aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung bis zum Jahr 2030 um 30% einbrechen werde. Da müssen die Anbieter schon recht breit aufgestellt sein, um das zu verkraften. Und nicht zu vergessen: Weniger Papier in den Büros bedeutet auch weniger Geschäftsdrucksachen.

Das Mindset muss sich ändern

Gleichzeitig bereitet sich die Druckbranche auf die drupa 2020 im Juni vor. Während viele beten, dass sie überhaupt stattfindet, werden im Vorfeld technische Themen diskutiert, mit denen sich die Branche auf der Messe befassen müsse. Als ob das wirklich wichtig wäre. Wer die wirklich relevanten Themen der Branche analysiert, stellt sehr schnell fest, dass sie alles braucht, nur keine Produktneuheiten, die wieder Jahre auf sich warten lassen.
Die Branche befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel und Transformationsprozess, bei dem Technik nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Stattdessen müssen Druckereien (erstens) verinnerlichen, dass eine digitalisierte Welt neue Geschäftsmodelle und mehr Agilität von der Druckbranche verlangt. Sie muss (zweitens) neue Wege der Vermarktung finden, ihre Workflows mit denen der Kunden integrieren, das digitale Business schneller, flexibler und transparenter machen und zugleich den Auf- und Ausbau digitaler Angebote auf unterschiedlichen Kanälen forcieren. Somit geht es (drittens) um das Mindset, das sich verändern muss. Wer auf eine neue Technik stößt, kann sich ja gerne mit den Details beschäftigen, sollte aber gleichzeitig hinterfragen, ob diese Technik überhaupt zu seinem Workflow und zu seinem Geschäftsmodell passt.
Auf die meisten dieser Fragen wird die Branche in Düsseldorf keine Antworten finden. Denn die drupa fokussiert sich auf technische Entwicklungen, nimmt das E-Business Print zwar nebenbei mit, hat es als Branche in der Branche aber nahezu komplett ausgeblendet.

2020 wird ein schwieriges Jahr

In Summe kommen jedenfalls Zweifel auf, ob das drupa-Jahr 2020 für die Druckindustrie besser laufen wird, als das vergangene. Traditionell wird die Messe mit neuen Technologien der Hersteller und hohen Investitionen der Druckereien gleichgesetzt. Doch genauso bleibt in Erinnerung, dass es die drupa 2008 war, die aufgrund der hohen Investitionsneigung der Branche gefeiert wurde und sich zu einem Desaster entwickelte, weil die Abschlüsse durch die nahende Wirtschaftskrise nicht finanziert werden konnten.
Das muss sich ja nicht wiederholen, doch die Zahlen und Entwicklungen lassen zumindest vermuten, dass 2020 ein schwieriges bis stürmisches Jahr wird. Bangen – und hoffen, dass uns die Märkte nicht um die Ohren fliegen und dass es doch nicht so schlimm kommt, wie diese Zeilen vermuten lassen. Schwarzmaler, Angstmacher, Spaßverderber können Sie nun sagen. Vielleicht haben Sie ja recht. Aber wer in dieser Zeit falsche Hoffnungen weckt, könnte morgen herbe Enttäuschungen erleben.


 

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